Good bye Briten

Ich habe englische Freunde im mittelenglischen Derby sowie in London. Und wer die Freundlichkeit und die Weltoffenheit der Engländer kennt, kann sich kaum vorstellen, woher dieser abgrundtiefe Zweifel an der EU und den europäischen Kooperationen herrührt. Am 31. Januar 2020 werden sie nun „Good bye“ sagen und in einem mehr oder minder geordneten Prozess die EU verlassen. Nach einer maximalen Übergangsphase von einem Jahr (so jedenfalls Boris „Boorish“ Johnson) soll ein Freihandelsabkommen folgen. Wir werden sehen, ob damit das ganze Theater wieder von vorne losgeht.

Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik China

Das andere Damokles-Schwert hat seinen Schrecken (etwas) verloren – der Handelsstreit zwischen den USA und der Volksrepublik China. Es konnte hier eine erste Teileinigung erzielt werden, was uns alle etwas freier atmen lassen dürfte. Doch ob sich der Mann im Weißen Haus damit zufrieden gibt? Und zudem: Nachdem der China-Deal an den Finanzmärkten der Risk-On-Modus aktiviert worden war, geht der Präsident auf der anderen Seite einen neuen Konflikt mit dem Iran ein. Zu allererst bleibt für die Menschen in dieser Region zu hoffen, dass die Lage nicht eskaliert. Und auch für die Finanzmärkte verheißt dieser Konflikt nichts Gutes … .

Deutsche Konjunktur im Herbst 2019
Nach all den Rückschlägen und auch Irritationen der letzten Monate hat die deutsche Konjunktur im Herbst 2019 wohl ihren Boden gefunden. Eine für möglich gehaltene Rezession ist nicht eingetreten. Die Verbesserungen gehen zuletzt auf den Industriesektor zurück. Alle Teilindikatoren konnten hier wieder (leicht) zulegen. Nachdem im verarbeitenden Gewerbe die Produktionserwartungen im Oktober 2019 auf den tiefsten Stand seit 2013 (!) gesunken waren, sind diese wieder etwas angestiegen. Und auch die Auftragslage bei der Industrie hat sich gemäß Umfragen etwas aufgehellt.

Doch können wir von einer Erholung ausgehen? Die Meinungen und auch die Datenlagen sind hier nicht einheitlich: Die Indikatoren aus dem Industriebereich (u.a. Produktion und Auftragseingänge) sind noch recht wackelig auf den Füßen, bei den sog. Stimmungskennzahlen kann man aber Verbesserungen erkennen (so die Konjunkturerwartungen der Analysten oder die Stimmung unter den Einkaufsmanagern).

Das Wachstum zu Beginn des Jahres 2020 dürfte noch recht schwach bleiben. Für das Gesamtjahr 2020 gehen die meisten Experten von einer Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von rund 1,0 Prozent aus. Auffallend sind die doch sehr unterschiedlichen Prognosewerte (je nach Institution Wachstum zwischen 0,6% bis 1,5%). Ein Grund für die divergierenden Prognosewerte sind unterschiedliche Erwartungen bezüglich des Verlaufs der Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattungen etc.). Die einen glauben an eine dämpfenden Wirkung aufgrund globaler Unsicherheiten, die anderen Fachleute erwarten gleichwohl eine spürbare Ausweitung.

Viele Faktoren beeinflussen die wirtschaftliche Entwicklung

Die Aussichten für die Weltwirtschaft bleiben insgesamt ebenfalls gedämpft. Zumeist wird mit einer vorsichtigen Erhöhung der konjunkturellen Dynamik in den nächsten beiden Jahren mit Wachstumsraten von etwas über 3 Prozent gerechnet.

Letztendlich schauen wir hierbei alle in die Glaskugel. Zu viele externe Faktoren könnten die wirtschaftlichen Entwicklungen, in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Aber bei allen Zweifeln bleibt doch eines wichtig: neben den geopolitischen Faktoren ist auch die Eigendynamik, die Innovation und die Kreativität der Wirtschaft selbst ein entscheidender Faktor. Wir sollten in 2020 über technische Innovationen und wirtschaftliche Entwicklungen in Rahmen einer gesellschaftlichen Energiewende sprechen.

Wer, wenn nicht die freiheitlichen und liberalen Gesellschaften soll den technischen und wirtschaftlichen Turnaround zu einer im besten Sinne nachhaltigen und ökologischen Wirtschaftsform finden?

Nach Einschätzung der Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) könnten erneuerbare Energien Mitte des Jahrhunderts zwei Drittel der gesamten Endenergie liefern. Hierbei steigt der Stromanteil am globalen Endenergieverbrauch in einem optimistischen Szenario von 20 auf fast 50 Prozent, wobei Erneuerbare 86 Prozent des Stroms liefern. Die wichtigsten Treiber der Elektrifizierung werden die Ausbreitung der Elektromobilität sein, eine steigende Stromnachfrage aus dem Wärmesektor und die Erzeugung grünen Wasserstoffs per Elektrolyse.

Für den Fall, dass die Welt diesen Pfad tatsächlich einschlägt, sagt die Agentur ihr für das Jahr 2050 einen CO2-Ausstoß voraus, der 70 Prozent unter dem heutigen Niveau liegt. Neue Arbeitsplätze in den Erneuerbaren, in der Energieeffizienz und -flexibilisierung würden den Wegfall von Jobs in der konventionellen Energieerzeugung mehr als ausgleichen, prognostiziert Irena.

Das sind doch spannende und erfreuliche Aussichten!

(Autor: Stefan Kern | Volksbank Trossingen)